IPCC Bericht - die naturwissenschaftliche Basis


Hier nun mein Content zum #Wochenende - das erste Mal im #Fedivers. Also nun zum 6. Statusbericht des IPCC (AR6), genauer der Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger*innen (SPM). Es handelt sich um den Bericht der Arbeitsgruppe 1 (WGI) "Naturwissenschaftliche Basis".
Die deutsche Übersetzung ist inzwischen auf den Seiten der deutschen Koordinierungsstelle zu finden: de-ipcc.de/media/content/AR6-W…

Wer lieber hören als lesen möchte und 45 Minuten Zeit hat, kann sich hier einen Vortrag von mir dazu anhören (und sehen).

Die Vortragsfolien sind in die Materialsammlung von S4F Deutschland eingeflossen (Sammlung Klima hier: files.scientists4future.org/in…). Alles unter CC-BY-SA 4.0 zur freien Verwendung. Ich stelle eine Auswahl vor, die wie jede Auswahl subjektiv gefärbt ist. Ich gebe auch immer noch eine Einordnung mit, die man im IPCC so direkt nicht bekommt.

Neu im Vergleich zu früheren Berichten sind: Ein besseres Verständnis vom Paläoklima – die letzten 2 Millionen Jahre war nicht so viel CO2 in der Atmosphäre wie heute und ein vertieftes Verständnis zum menschlichen Einfluss auf Wetter und Klimaextreme. Der Teil hat mich am meisten beeindruckt. Wie auch die häufig sehr klein gewordenen Fehlerbalken. Keine Ausrede mehr möglich.

Die globale Temperatur lag von 2011-2020 um 1,1 Grad höher als 1850-1900. So hoch wie in den letzten 100.000 Jahren nicht. Der Anstieg des Meeresspiegels beschleunigt sich stark. Von 1,3 mm/Jahr (1900-1971) auf 3,7 mm/Jahr (2006-2018). Er kann bis Ende des Jahrhunderts um 2 Meter steigen. Erschreckend finde ich. Bin ja in Schleswig-Holstein aufgewachsen und komme daher darauf noch zurück.

Es werden verschiedene THG Reduktionsszenarien (SSPs) betrachtet. WGI bewertet deren Zustandekommen nicht – die Modellierungen erscheinen erst nächstes Jahr. Nur SSP1–1.9 und SSP1–2.6 halten die Erderhitzung in 2100 unter 2 Grad und nur SSP1–1.9 tut dies mit 90 % Wahrscheinlichkeit. Zu beachten: Beide kommen nicht ohne negative CO2-Emissionen – also das Binden von CO2 - aus. AR6 bestimmt das auch für die anderen THGs und schließt Bildung von Aerosolen ein.

Abbildung SPM.4 Tafel (a) Jährliche anthropogene (vom Menschen verursachte) Emissionen im Zeitraum 2015–2100. Dargestellt sind Emissionsverläufe für Kohlendioxid (CO2) aus allen Sektoren (Gt CO2/Jahr)

Ich habe hier für Deutschland lineare Reduktionspfade bzg. auf CO2-Restbudgets, die sich bei fairer Verteilung ab 2016 ergeben ausgerechnet. Die Budgets sind konsistent mit dem SRU-Umweltgutachten von 2020.

CO2 Emissionen in Deutschland von 1990 bis 2021. Restbudget ab 2022 für 1.5 Grad mit 50% Wahrscheinlichkeit ca. 2.9 Gigatonnen, netto Null bei ca. 2031; für 1.75 Grad mit 66% Wahrscheinlichkeit ca. 5.3 Gigatonnen, netto Null bei ca. 2038. Restbudget ab 2022 nach Klimaschutzgesetz für lineare Extrapolation 7.55 Gigatonnen (netto Null bei 2045).

Die globalen Budgets haben sich im Vergleich zu früheren Berichten nicht stark verändert, wenn man die Emissionen, die seitdem erfolgt sind, berücksichtigt. Der Pfad mit 33% Wahrscheinlichkeit für 1.5 Grad ist fast der von den 1.75 Grad. Wir spielen hier Roulette mit der Zukunft unserer Kinder. Nun zum Anstieg des mittleren Meeresspiegels für die verschiedenen Szenarien.
Abbildung SPM.8 Tafel (d) Änderung des mittleren globalen Meeresspiegels in Metern gegenüber 1900. Die historischen Änderungen sind Beobachtungsdaten (vor 1992 von Tidenpegeln und danach von Höhenmessern), und die zukünftigen Änderungen wurden basierend auf der Emulierung von CMIP-, Eisschild- und Gletschermodellen konsistent mit beobachtungsbasierten Eingrenzungen bewertet. Wahrscheinliche Bandbreiten sind für SSP1-2.6 und SSP3-7.0 dargestellt. Für die Meeresspiegeländerungen werden nur wahrscheinliche Werte angegeben, da es schwierig ist, die Verteilung von zutiefst unsicheren Prozessen zu beziffern. Die gestrichelte Kurve stellt die potenziellen Folgen dieser zutiefst unsicheren Prozesse dar. Sie zeigt das 83. Perzentil von SSP5-8.5-Projektionen, die Eisschildprozesse miteinschließen, welche mit geringer Wahrscheinlichkeit auftreten und mit großen Folgen verbunden sind und die nicht ausgeschlossen werden können; aufgrund des geringen Vertrauens in Pro- jektionen dieser Prozesse ist diese Kurve nicht Teil einer wahrscheinlichen Bandbreite. Änderungen gegenüber 1900 werden berechnet, indem 0,158 m (der beobachtete mittlere globale Meeresspiegelanstieg von 1900 bis 1995–2014) zu simulierten und beobachteten Änderungen gegenüber 1995–2014 addiert werden.

Auf lange Zeit irreversibel auch im günstigsten Fall. Die Deiche müssen um das 1.5 bis 2fache des Anstiegs erhöht werden. Ab 60cm Anstieg versagt die Sielentwässerung und wir müssen aktiv pumpen, was wieder Energie kostet. Wird teuer! Ein zu schneller Anstieg bedroht das Weltnaturerbe Wattenmeer – weltweit einzigartig. Was mir in der SPM fehlt, ist die Erwärmung der Meere. Es gibt dafür ein tolles neues Tool: den interaktiven Atlas. Hier das Ergebnis:

Änderung der Meerestemperatur für SSP5-8.5 (knapp 5 Grad globale Erhitzung) und SSP1-2.6 (knapp 2 Grad globale Erhitzung) im Vergleich.

Sehr deutlich ist die übermäßig starke Erhitzung der Arktis. Aber auch die Ostsee erhitzt sich stark. Spielt für uns eine Rolle, denn die Fangquoten sind auf diesen Stressor nicht angepasst. Drum verlieren wir den Dorsch in der westlichen Ostsee.

Ebenfalls bereits jetzt erleben wir einen Anstieg der Hitzeextreme überall auf der Welt und in vielen Regionen auch von Starkregen.
Abbildung SPM.3a: Hitzeextreme weltweit in den verschiedenen Regionen Für Hitzeextreme stammen die Belege hauptsächlich aus Änderungen bei Messgrößen, die auf den täglichen Höchsttemperaturen basieren. Zusätzlich werden regionale Studien mit anderen Indizes (Dauer, Häufigkeit und Intensität von Hitzewellen) herangezogen. Rote Sechsecke kennzeichnen Regionen, in denen mindestens mittleres Vertrauen in eine beobachtete Zunahme von Hitzeextremen besteht.
Abbildung SPM 3b: Starkniederschläge weltweit in den verschiedenen Regionen. Für Starkniederschläge stammen die Belege hauptsächlich aus Änderungen bei Indizes auf der Grundlage von ein- oder fünftägigen Niederschlags- mengen unter Verwendung globaler und regionaler Studien. Grüne Sechsecke kennzeichnen Regionen, in denen mindestens mittleres Vertrauen in eine beobachtete Zunahme von Starkniederschlägen besteht.

Trotz mehr Starkregen gibt es auch mehr Dürre. Hier gibt es eine gute Sicherheit nur im Westen der USA und im Mittelmeerraum. Zur Bestimmung von Dürre braucht es mehr Parameter. Daher sind die Unsicherheiten hier vergleichsweise groß. Das gleiche gilt für die Fehlerbalken bei der zukünftigen Entwicklung von Dürreereignissen.

Abbildung SPM.3c: Dürre weltweit in den verschiedenen Regionen. Landwirtschaftliche und ökologische Dürren werden anhand von beobachteten und simulierten Änderungen der Bodenfeuchte über die gesamte Profiltiefe bewertet, ergänzt durch Belege für Änderungen der Bodenfeuchte an der Oberfläche, der Wasserbilanz (Niederschlag minus Evapotranspiration) und von Indizes, die von Niederschlägen und atmosphärischem Verdunstungsbedarf abhängen. Gelbe Sechsecke kennzeichnen Regionen, in denen mindestens mittleres Vertrauen in eine beobachtete Zunahme dieser Art von Dürre besteht, und grüne Sechsecke kennzeichnen Regionen, in denen mindestens mittleres Vertrauen in einen beobachteten Rückgang landwirtschaftlicher und ökologischer Dürre besteht.

Ich bin sicher, im nächsten Bericht sind die kleiner. Wir sollten so lange auf keinen Fall warten. Bei den Starkregen ist weniger die erhöhte Frequenz ein Problem, als das sie intensiver werden. Die Fehlerbalken sind erschreckend klein. Bekommen wir grad ja auch schon zu spüren. Grad im Moment mehr aber noch die Menschen in Nord-Indien. Erschreckend!

Projizierte Änderungen der Intensität und Häufigkeit von landwirtschaftlichen und ökologischen Dürren in trockener werdenden Regionen und von extremen Niederschlägen über Land.

Hitzeextreme dagegen treten öfter auf. Schon bei 1.5 Grad Erhitzung finden ehemals 50 jährige Ergeignisse ca. alle 5 Jahre statt. Heute bereits alle 10 Jahre. Und sie werden heißer. Heute um 1.2 Grad, bei 1.5 Grad Erhitzung um 2 Grad.

Abbildung SPM.6: Entwicklung Hitzeextreme. Projizierte Änderungen der Intensität und Häufigkeit von heißen Temperaturextremen über Land.

2018 hatten wir in Deutschland bereits ca. 20200 Hitzetote. Wann haben wir eine Chance auf Besserung? Bzgl. der Temperatur bestenfalls Mitte dieses Jahrhunderts.

Abbildung SPM.8 Tafel (a) Änderungen der globalen Oberflächentemperatur in °C gegenüber 1850–1900. Diese Änderungen wurden durch die Kombination von Modellsimu- lationen aus dem internationalen Klimamodellvergleichsprojekt CMIP6 (Coupled Model Intercomparison Project Phase 6) mit beobachtungsbasierten Eingrenzungen auf der Grundlage von simulierter vergangener Erwärmung sowie mit einer aktualisierten Bewertung der Gleichgewichtsklimasensitivität (siehe Box SPM.1) ermittelt. Änderungen gegenüber 1850–1900 auf der Grundlage von 20-jährigen Mittelungszeiträumen werden berechnet, indem 0,85 °C (der beobachtete Anstieg der globalen Oberflächentemperatur von 1850–1900 bis 1995–2014) zu simulierten Änderungen gegenüber 1995–2014 addiert werden. Sehr wahrscheinliche Bandbreiten sind für SSP1-2.6 und SSP3-7.0 dargestellt

Wenn wir nicht sofort etwas machen aber auch gar nicht. Die nächste Bundesregierung hat es in der Hand. Der Zusammenhang zwischen Temperaturerhöhung und CO2 Emission ist quasi linear. Jede Tonne CO2 zählt!

Abbildung SPM.10: Nahezu lineare Beziehung zwischen den kumulativen CO2-Emissionen und dem Anstieg der globalen Oberflächentemperatur.

Und wenn ich dann jetzt sowas lesen muss, dann möchte ich gleichzeitig Weinen und gleich wieder auf die Straße gehen. Ab 2024 Erdgas im Wattenmeer fördern – ich glaub es hackt! Ich möchte am liebsten etwas anzünden!!

Änderung am 27.05.22: Bildbeschreibungen eingefügt.

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Unbekannter Ursprungsbeitrag

friendica (DFRN) - Link zum Originalbeitrag

Carbon Woman

Ich bin jetzt nicht sicher, auf welchen Punkt genau die Frage abzielt. Aus den Gasvorkommen, die in Niedersachsen angebohrt werden sollen, wird erst 2024 gefördert. Das hat also mit der aktuellen Situation nichts zu tun.

Was man jetzt tun muss - auch anstatt jede Menge LNG Terminals zu bauen - richtig Geld in den Ausbau Erneuerbarer stecken und dort die Hemmnisse beseitigen. Bei den LNG-Terminals wird jetzt sogar die Umweltverträglichkeitsprüfung ausgesetzt, wenn ich das richtig mitbekommen habe.
Das wäre bei Windparks viel eher sinnvoll. Abgesehen davon, dass man das grundsätzlich nicht tun sollte. Es müsste auch eine Ausbildungsinitiative geben. Momentan fehlt es an den Händen, die PV aufs Dach bringen.
Und natürlich Produktionskapazitäten steigern, wo sinnvoll. Ging bei der Impfstoffherstellung ja auch.

Und natürlich intelligente Netze, Quartiersspeicher etcetc. Die Lösungen sind da. Sie müssen jetzt nur sehr sehr sehr schnell umgesetzt werden. Wir haben wirklich keine Zeit mehr.

Als Antwort auf Carbon Woman

Ich finde, dass die Frage nach Alternativen nicht richtig formuliert ist. Erstens, weil die Folgen der Fossilenergie so fatal sind, dass man auch ohne Alternativen mit ihnen aufhören muss. Und zweitens, weil unsere Wirtschaft in allem von Fossilenergien bestimmt ist. Erneuerbare Energien und nachhaltige Landnutzung verändern den Rahmen und werden Fossilenergien so wenig ersetzen wie das Auto die Kutsche.