Als Pazifistin muss ich nach den ganzen Friedensdemonstrationen in den letzten Tagen, dann doch noch etwas dazu schreiben.

Beginnen möchte ich mit dem Hinweis, dass der russische Angriffskrieg keineswegs der erste völkerrechtswidrige Krieg der letzten Jahrzehnte in Europa ist: Am ebenfalls völkerrechtswidrigen NATO-Angriffskrieg 1999 gegen das damalige Jugoslawien war Deutschland beteiligt. Das es eine erhebliche Anzahl von zivilen Getöteten auf jugoslawischer Seite gab, wurde nie aufgearbeitet. Ich werde nie vergessen, wie meine eigene Regierung mich nach Strich und Faden belogen hat, die Medien im vorauseilendem Gehorsam Kriegseuphorie verbreiteten. Damit wurde ich endgültig überzeugte Pazifistin.
Ein weiterer illegaler Angriffskrieg, an dem Deutschland sich nicht beteiligt hat, war der Krieg der USA gegen den Irak 2003. Wir erinnern uns: die Bedrohung der USA durch Massenvernichtungswaffen war eine Lüge, Massenvernichtungswaffen wurden nicht gefunden.

Selbstverständlich erlauben vergangene Rechtsbrüche keinen erneuten Rechtsbruch oder machen ihn nur um ein Deut besser. Aber: "Der Westen" sitzt bei dieser Diskussion momentan auf einem verdammt hohen moralischen Ross.

Tatsächlich steht es uns bevor, dass eine neue Weltordnung (oder auch "Weltordnungen") ausgehandelt werden muss wie die Friedensforscherin Ursula Schröder in einer wunderbaren Sendung im Sender Deutschlandfunk Kultur erläutert. Wenn Ihr könnt, hört Euch die ganze Sendung an. "Was für einen Frieden wollen wir" zeigt, wie falsch vereinfacht momentan viele (aber nicht alle s.u.) Friedensforderungen sind. Ich kann hier nicht die Sendung wiedergeben, aber ein Punkt, der mir sehr nachgehangen ist, ist, dass wir von der Kriegsrhetorik weg müssen, weg von der Logik, dass es Sieger und Besiegte geben muss. In eine ähnliche Richtung argumentiert auch Antje Schrupp in ihrem Kommentar "Krieg und Männlichkeit" in der Zeit. Und: Frieden muss gerecht sein, sonst hält er nicht. Allein damit scheidet das Schwarzer/Wagenknecht Manifest schon aus, richtet es sich doch nur an die ukrainische Seite und bedient sich stark an der Kriegsrhetorik. Damit war der Applaus von rechter Seite, der ja auch kam, vorprogrammiert.

Anders war das bei der Friedenskette zwischen Osnabrück und Münster. Dort war ich mit meiner Familie und auch die Scientists for Future Osnabrück hatten dafür mobilisiert. Bei der schönen Abschlussveranstaltung in der Friedenskirche in Osnabrück durfte ich in einem Impulsreferat die Zusammenhänge zwischen Krieg und Klimakrise aufzeigen.
Bei der Friedenskette waren übrigens trotz Regens mehr Menschen als auf der Demo von Schwarzer und Wagenknecht, anders als in Berlin kamen soweit mir bis jetzt bekannt keine Rechten, dafür hat die Kette aber weniger mediale Aufmerksamkeit bekommen. Es gab diesen kurzen Bericht in der Lokalzeit von WDR1, der mir recht objektiv scheint.

Aber die Erklärung vom OS-Orgateam der Friedenskette23 wurde leider nicht gedruckt. Schade, denn der eine oder die andere hätte dann vielleicht mehr Verständnis für die Aktion gehabt. Dennoch war deren Geist überall spürbar und sicher ein Grund dafür, dass es nach Rechts keine Anschlussfähigkeit gab.

Dank an Sabina Koerner, die mir erlaubt hat, den Wortlaut hier wiederzugeben:

Friedenskette steht im Zeichen des Westfälischen Friedens
- Solidarität mit Menschen in der Ukraine und allen Kriegsregionen dieser Welt -

Seit dem 24.2.22, dem Tag des brutalen und völkerrechtswidrigen Überfalls Russlands auf die Ukraine, herrscht (auch) in Europa wieder Krieg. Dies ist Anlass für Bürger*innen aus der Region des westfälischen Friedens, ein solidarisches, empathisches Zeichen für die Menschen in der Ukraine und in anderen Kriegsgebieten dieser Welt zu setzen und der Sehnsucht / Hoffnung nach Frieden Ausdruck zu geben.
Die Friedensstädte Osnabrück und Münster begehen in diesem Jahr den 375. Jahrestag des „Westfälischen Friedens“ 1648, Vorbild und Wegbereiter für eine nachhaltige dauerhafte europäische Friedensordnung.
Der Westfälische Friede beendete den 30jährigen Krieg nach Verhandlungen in beiden Städten, während gleichzeitig noch kriegerische Auseinandersetzungen stattfanden.
Die vielen Kriegsparteien haben sich mit völlig gegensätzlichen Forderungen und Voraussetzungen zu Verhandlungen getroffen, um gemeinsam nach fünf Jahren eine historische Lösung zu finden. Sie haben es geschafft, eine vermeintliche Utopie zu verwirklichen.
Der Westfälische Friede zeigt, so die Historikerin Siegrid Westphal von der Universität OS, dass Friedensverhandlungen und diplomatische Lösungen nur gelingen können, wenn auf militärische Eskalation und Kriegsrhetorik verzichtet und der Friedenswille deutlich erkennbar wird.
Die Vorbereitungstreffen und verschiedene Reaktionen zur Friedenskette in beiden Städten zeigen, dass Menschen den gemeinsamen Aufruf unterstützen und teilnehmen, obwohl sie unterschiedliche Ansichten über den Weg zum Frieden vertreten,
Die Friedenskette ist ein gemeinsames Zeichen für den Wunsch nach Niederlegung der Kriegswaffen, Verhandlungen mit dem Ziel des dauerhaft friedlichen, demokratischen Zusammenlebens, weltweiter Abrüstung, dem Schutz von Klima und Umwelt sowie für das Recht aller Menschen auf ein menschenwürdiges Leben.
Die Friedenskette erhält eine breite partei- und konfessionsübergreifende Unterstützung gesellschaftlich relevanter Institutionen, viele Kirchengemeinden, Chöre, Kultur-und Sportvereine, Klima-und Umweltgruppen, Sozialverbände etc. melden sich gemeinsam an, in Niedersachsen hat die Landesschulbehörde die Schulen gebeten, die Teilnahme zu unterstützen.
Mit der Wahl des Datums bekommt die Solidarität mit der Ukraine und ihrer territorialen Unversehrtheit ein besonderes Gewicht, da dieser grausame und völkerrechtswidrige Angriffskrieg Putins Europa und die Welt erschüttert.
Die Friedenskette soll darüber hinaus vor allem ein Zeichen für den weltweiten Friedenswunsch sein, ein Zeichen für die Solidarität mit Menschen in allen Regionen der Welt wie z.B. Jemen, Syrien, Kurdistan und anderen Ländern, in denen Menschen Opfer von Kriegen sind oder als Flüchtlinge ihre Heimat verlassen mussten, an Hunger leiden, deren Menschenrechte verletzt werden, denen die Folgen des Klimawandels die Existenz rauben.
Mit einer Schweigeminute beim Zusammenschluss der Friedenskette um ca. 16 Uhr in Ladbergen gedenken die Teilnehmer*innen der Friedenskette der Kriegsopfer in aller Welt und singen abschließend das Lied von John Lennon „Give Peace a Chance“ als verbindenden Friedenswunsch für die ganze Welt.
Jegliche rechtsextreme Positionen sind ausgeschlossen. Die Teilnehmer*innen können eigene Plakate, Zeichen und Banner im Sinne der Friedenskette mitbringen.
... [die folgende Aufforderung zur Anmeldung habe ich gelöscht, weil die Aktion bereits stattgefunden hat]
#Pazifismus #Feminismus #Ukraine #Frieden #Friedensverhandlungen #Klimakrise

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Unbekannter Ursprungsbeitrag

friendica (DFRN) - Link zum Originalbeitrag

Carbon Woman

@Mwalimu57
Nein - natürlich ist das nicht okay. Ich bin keine Historikerin und keine Friedensforscherin. Wie Srebrenika hätte verhindert werden können, vermag ich nicht zu sagen.
Aber ein Völkerrechtsbruch rechtfertigt keinen anderen. Ganz so wie ein Rechtsbruch auch keinen weiteren Rechtsbruch rechtfertig.
Als Antwort auf Carbon Woman

Danke für den Bericht.

Ist doch ein Hammer. Da bringt eine lokale Initiative mit vernünftigen, nachvollziehbaren und für alle außer Extremisten anschlussfähigen weil diskutiertierbare Forderungen ohne mediale Dauerpräzenz deutlich mehr Menschen als die #Friedensschwurbler auf die Straße und ich lese davon noch nicht mal in der @tazgetroete