ein erschreckend realistisches Zukunftsszenario
von Marjana Gaponenko, ukrainische Schriftstellerin
Es ist Ostern 2027. Riga wird überfallen. Russische Truppen marschieren durch die Straßen und nehmen die Stadt ein. Die verzweifelten Bürger rufen: "NATO, hilf uns!" Doch die NATO reagiert nicht. Vielleicht, weil sie gerade "Stranger Things" auf Netflix schaut. Oder vielleicht, weil sie schon lange tot ist.
In Thüringen, gemütlich auf seinem Sofa, sagt der "Sofapazifist" Heinz-Erich zu seiner Frau Mechtild: "Ach, Mausi, die baltischen Staaten waren doch schon immer irgendwie russisch, oder?"
Mechtild runzelt die Stirn, nimmt einen Schluck aus ihrem Weinglas und murmelt: "Nee, das war alles deutsch, Kaliningrad, da kömmt doch der Kant her, dieser Liedermacher mit den langen Haaren."
Heinz-Erich kichert in sein Bierglas: "Du hast keine Ahnung. Kant hatte 'ne Glatze und 'nen Rauschebart. Genauso wie Karl Marx. Damals war das modern, weißte“
Die Talkshows laufen heiß, wie immer. "Hätte Putin nicht ein bisschen mehr von der Ukraine nehmen können?", fragt eine Philosophin in der Debatte, mit grimmigem Blick und blondierten Brauen. In der nächsten Runde wird plötzlich gefragt, ob Deutschland nicht mit seinen Waffenlieferungen an die Ukraine damals mitschuldig ist. "5000 Helme später und kein Ende in Sicht."
Immer wieder fühle ich mich in den letzten Tagen wie in einem Märchen aus Tausendundeiner Nacht. Nur in böse. Ein arabischer Basar. Ein Mann mit einem schmierigen Lächeln. Trump. Kein Präsident - ein Gewürzverkäufer.
"Fünf Regionen für Russland und schon ist Frieden! Inshallah."
"Die Krym? Gehört doch eh längst dem Sultan…"
"Selenskyj ist zu stur. Hätte er einfach dankbar zugestimmt, wäre alles vorbei!"
Ich weiß genau, was Trump anwendet: ein klassisches Reframing - eine manipulative Technik, bei der einem Problem ein neuer Deutungsrahmen gegeben wird, um Schuld und Verantwortung zu verschieben. Statt von einem Angriffskrieg zu sprechen, nennt er es einen "Konflikt". Statt von Völkerrechtsbruch zu reden, spricht er von "verlorenen Regionen". Statt Putins Aggression zu benennen, stellt er den ukrainischen Widerstand als Hindernis dar. Als Selenskyjs Sturheit. So legitimiert er Russland.
Das ist Komplizenschaft!
Ich will kein Teil dieses Basars sein.
Ich will kein Gewürz auf seiner Waage sein.
Ich will keine Welt, in der Gerechtigkeit verhandelbar ist.
Ich will Gerechtigkeit. Wahrheit. Würde.
Für mein Land. Für meine Leute. Für alle, die nicht auf fliegenden Teppichen fliehen können. Für die Menschen in Estland, Lettland und Litauen, deren Städte nicht zur Verhandlungsmasse werden dürfen. Denn heute sind es ukrainische Regionen und morgen könnte es Riga sein.
Wenn der Verlust der Ukraine akzeptiert wird, ist die Welt nur einen Atemzug davon entfernt, bei Russlands nächsten Vorstoß die gesamte Zivilisation zu verlieren.