"Streik"


(in einem Großbetrieb in der DDR 1983)
21/21

Am Freitagvormittag schneiten nochmal die verschiedensten Kittel in unsere Werkstatt. Es war nicht herauszulesen, was passieren sollte. Erst nach der Mittagspause erreichte uns die Nachricht, daß für halb Vier eine Gewerkschaftsversammlung anberaumt werde. Halb Vier. Am Freitag. Psychologisch sehr ungünstig für uns. Feierabend ist heilig und am Freitag gleich hoch zwei. Die Stunden bis dahin verstrichen nur langsam. Geredet wurde auch nicht mehr viel.
Letztendlich lief alles sehr unscheinbar ab. Zwei BGLer, die offensichtlich auch keine Überstunden machen wollten, eröffneten uns, daß nochmal gemessen wurde bei 120%. Obwohl der Betrieb in diesem Bereich eigentlich nicht dauernd zugelassen sei. Die Bedürfnisse der sozialistischen Produktion legten allerdings… Blablabla…
Das Ende vom Lied war dann, daß nur noch die Stunden, die wir tatsächlich im Kraftwerk arbeiteten, auf die Erschwernis angerechnet würden. Dafür wurde der Zuschlag auf 1,76 angehoben und es gab einen Erschwernisurlaubstag mehr als zuvor.
Offen wurde nicht gefragt, ob wir damit einverstanden wären. Für uns würde das mit der Bezahlung mindestens aufs selbe hinauslaufen, wie zuvor. Insgesamt also machbar. Wir hatten nichts dagegen einzuwenden.
Wie wir später erfuhren, gab es doch noch Verlierer bei der ganzen Geschichte: die hauptamtlichen Gewerkschafts- und Parteifunktionäre. Die würden den Erschwerniszuschlag nicht mehr erhalten. Komische Sache das.
(Das Ganze ist 1983 in etwa so geschehen, paar künstlerische Freiheiten seien mir verziehen und die Personendarstellungen sind lediglich angelehnt an die real existierenden Akteure.)