"Streik"


(in einem Großbetrieb in der DDR 1983)
13/21


Ich ging direkt zum Krämerladen, holte, statt des üblichen Wodkas oder Reisschnapses eine Flasche Kräuter, brachte nicht mal mehr meine Tasche nach Hause und ging gleich ins HdJ.
Das Haus der Jugend war wegen Baufälligkeit schon seit Jahren geschlossen. Doch aufgrund ungewisser Umstände konnte die örtliche Bluesband dort im Tanzsaal proben. Normalerweise waren wir dort in kleinerem Kreise, heute war jedoch irgendwie mächtig Betrieb. An die zwanzig Leute waren schon da und gut bestückte Bierkästen dabei. Bevor ich noch richtig grüßen konnte, sprach mich schon der Sänger an, was denn bei uns los wäre. Ich war ziemlich erstaunt, auch wenn er in der Aschebrigade Schlosser war, so war doch keiner von uns drüben in deren Werkstatt gewesen, wir wollten ja erstmal nicht drüber reden. Jetzt aber nichts zu sagen, wäre schon arg komisch gewesen. Obwohl ich die meisten nicht kannte, war mir schon bewusst, daß, egal, was ich jetzt sagte, wohl morgen in verschiedenen Betrieben der Gegend beredet werden würde.
So vorsichtig ich konnte, versuchte ich die Lage zu schildern und auch so ungefähr, wie wir uns verhalten wollten. Hielt aber alles sehr vage. Trotzdem hatte ich sofort die Aufmerksamkeit aller. Es kamen keine Nachfragen. Bald wurde wieder zum normalen Musizieren und Trinken übergegangen, doch beim Abschied drückte mir jeder einzelne stumm die Hand.
Ich hatte zugesehen, nicht gar so viel zu trinken, fühlte mich eh heftig angespannt, auch wenn das nicht unangenehm war.
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