"Streik"
(in einem Großbetrieb in der DDR 1983)
08/21
Die Stimmung war sehr merkwürdig, ein wenig ungläubig und Trotz begann sich breit zu machen. Als der Meister kurz vor der Frühstückspause reinkam, wurde es sofort still.
Die Inspektion habe bei Überprüfungsmessungen festgestellt, daß die Grenzwerte für die Erschwerniszulagen nicht mehr überschritten wurden. Deshalb sei die Erschwerniszulage gestrichen und auch die 3 Tage Erschwernisurlaub würden künftig wegfallen.
Die ganzen 56 Pfennige pro Stunde würden wegfallen? Immerhin wäre das nicht unerheblich bei Stundenlöhnen weit unter 3 Mark. Der Meister nickte. Aufgeregt schnappte der Gewerkschafter, daß doch nur 16 Pfennige davon, auf die Luftverschmutzung falle. Das saß. Er war bisher selten durch Kompetenz aufgefallen, jetzt aber erntete er anerkennende Blicke. Der Meister zuckte mit den Schultern und schrieb es sich auf.
Dafür wusste er genau, wie sie auf die neuen Messwerte kämen. Die Kessel wurden für die Messungen mit 80 Prozent gefahren. Und da wäre alles o.k. gewesen. Von den Gesprächen mit einer Kesselfahrerin wusste ich, daß wir normal mit 120 Prozent fahren, weil die Kohle zu schlecht war und immer schlechter wurde. Die bessere Kohle wurde exportiert. Ab 100 Prozent stiegen dann die Schadstoffwerte, die durch die Kesselwand gedrückt wurden, extrem an. Dafür waren die neuen Filteranlagen für die Schornsteine nicht ausgelegt. Die waren wegen des sauren Regens eingebaut worden.
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