"Streik"


(in einem Großbetrieb in der DDR 1983)
17/21


Jeffe meinte, daß das Streikrecht nicht wirklich geregelt sei, daß wir vermutlich wegen Arbeitsverweigerung mit Verweisen zu rechnen hätten. Zumindest so lange es nach Recht und Gesetz ginge. Alle Blicke wanderten zum Schweißer. Der hatte so seine Erfahrungen damit, wenn es aufhörte, nach dem Gesetz zu gehen. Doch er war nicht zum Plaudern aufgelegt und meinte nur, daß sich die Zeiten geändert hätten und er nicht glaube, daß wir ein Stasifall werden würden. Immerhin wäre auch die Führung hierzulande ein wenig nervös geworden, seit den Streiks in Polen. Sie würden wohl eher vermeiden, daß hier sowas passiert. Das war mit Abstand die optimistischste Einschätzung, die ich je von ihm gehört hatte.
Es beruhigte auch die anderen.
Wir sollten bis auf Karl in der Werkstatt bleiben, im Moment wären sowieso die jährlichen Arbeitsschutzbelehrungen fällig. Und ohne diese dürften wir eigentlich nicht an die Kessel. Wir würden also schon irgendwie eine Ausrede finden, falls sich die Sache zu merkwürdig entwickeln sollte.
Im Gehen drehte er sich nochmal um und meinte, daß der Schichtleiter im Ernstfall die zwei Kessel runterfahren würde, weil die Gasbrenner nicht ohne Austausch der Elektroden weiterbetrieben werden könnten. Das klang nach Dienst nach Vorschrift und roch irgendwie nach Solidarität.
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