Wir schreiben das Jahr 2023 und befinden uns in einem Ort irgendwo in der Mitte Deutschlands. Das Stadtmarketing hat den Begriff Öko-City geprägt, angesichts des Klimawandels und Artensterbens eine griffige Verkaufsstrategie. Märchenhaft ist diese Region im idyllischen Flusstal. Zudem weiß die Tourismusorganisation zu vermelden: Erholsame Natur, Entschleunigung, Wandern, Radfahren, und natürlich Tradition. Hier, so mag man glauben, sind der globale Klimawandel und das Artensterben noch nicht angekommen.
Doch jenseits dieser Idylle tobt ein heftiger Kampf, ja man könnte es durchaus als Krieg bezeichnen. Und dieser Krieg ist unerbittlich und ist Teil der so gepriesenen Tradition. Tag für Tag wird dieser Krieg von der Stadt und vielen seiner Bürger geführt und kaum ein Kriegsgerät ist zu groß und schwer, um der jahrtausendealten Bedrohung entgegenzutreten.
Und so kann man Tag für Tag von morgens bis abends die Motoren der Heckenscheren, Kettensägen, Rasenmäher, Motorsensen oder Staubbläser von den Schlachtfeldern dieses erbarmungslosen Krieges gegen die Natur über die Stadt schallen hören, ein nie enden wollender Kampf um Ordnung und Kontrolle. Dem kleinsten, verzweifelten Versuch eines Pflänzchens, sich zwischen dem Grau der versiegelten Wege ins Leben zu kämpfen wird mit der krachenden Motorsense ebenso der Garaus gemacht, wie das schüchtern aus dem braungemähten Rasen hervorsprießende Gänseblümchen, das es wagt, die vorgeschriebene Höhe von zwei Zentimetern zu überschreiten vom gnadenlosen Rasenmäher enthauptet wird.
Und ja, die Bürger, die sich diesem Kampf verschrieben haben, sind Helden. Sie sorgen für Arbeitsplätze, Wachstum und Wohlstand, wenn man einmal vom Wachstum und Gedeihen der Natur absieht. Was kümmert da das Naturschutzgesetz, dass es von Frühling bis Herbst verbietet, die so lebensfreudig wuchernden Hecken auf menschliches Herrschaftsmaß zurückzustutzen. Was kümmert es da, dass den Vögeln mit dem ordnungssuchtbedingten Insektensterben und dem Verlust schützender Hecken und Büsche in den Gärten, Vorgärten und städtischen Grünflächen die Lebensgrundlage entzogen wird. Was kümmern die zerstückelten Igel und andere Lebewesen, die in diesem traditionellen Kampf gegen alle Formen der Natur, die nicht menschlichen Zwecken und Ordnungsvorstellungen dienen, zwangsläufig Opfer sein müssen. Und Opfer müssen natürlich auch die Bürger bringen, die an der ständigen Geräuschkulisse irre werden, die des Schutzes und der kühlenden und beruhigenden Wirkung des Feindes aller Ordnung verlustig gehen. Unvermeidliche Kollateralschäden in einer Region, in der ganz offensichtlich Klimawandel und Artensterben noch nicht angekommen sind, zumindest was die Köpfe betrifft.